Kommunikation

Kommunikationsprobleme

Mein Hauptproblem – das gebe ich auch nach Jahren offen zu – ist die Kommunikation mit dem Model. Da ich das verbessern möchte, habe ich mich etwas intensiver mit dem Thema Kommunikation beschäftigt und bin über das „Vier-Ohren-Modell“ des Psychologen Schulz von Thun gestolpert. In diesem Modell geht man davon aus, dass Kommunikation auf vier verschiedenen Ebenen erfolgt:

  1. Der Sachinhalt
  2. Die Beziehungsebene
  3. Die Selbstoffenbarungsebene
  4. Der Appell

Vereinfacht gesagt bedeutet das, jede Äusserung wird auf vier Ebenen verstanden. Dies betriff sowohl den Fotografen wie auch das Model.

Die Sachebene

Ich gehe einmal auf ein praktisches Beispiel in der Portraitfotografie ein, mit dem Satz: „Das gefällt mir noch nicht!“

Auf der Sachebene wird die reine Information transportiert. Es geht hier nur um Fakten, Daten und den Inhalt. In unserem Beispiel wäre das die Information „hier stimmt etwas nicht, um unser Ziel zu erreichen“. Das Model als Empfänger der Ansprache muss nun einiges entscheiden:

Ist die Aussage wahr/falsch? („Kann nicht sein, ich habe mich doch extra gestyled!“)
Ist sie relevant/irrelevant? („So wichtig wird das schon nicht sein!“)
Reicht die Information aus/nicht aus? („Was will er von mir?“)

Der Fotograf als Sender der Aussage muss also deutlich und klar kommunizieren, damit seine Aussage nicht falsch verstenden wird. „Die Haarsträne verdeckt das Auge. Könntest Du sie bitte nach hinten streichen, damit sich das Licht in beiden Augen spiegelt?“ Wäre eine bessere Kommunikation.

Die Beziehungsebene

Auf dieser Ebene kommen neben der reinen Sprache schon andere Aspekte ins Spiel. Der Fotograf zeigt über Gestik, Mimik und den Ton seiner Stimme unbewusst, was er vom Model hält. Und das Model kann diese Botschaften ebenfall auf verschiedene Weise interpretieren: Es kann sich sicher, wertgeschätzt und geachtet fühlen aber auch abgelehnt, gedemütigt und missachtet.

Der Satz: „Das gefällt mir noch nicht!“ kann daher im Kontext der nonverbalen Kommunikation ganz verschiedene Reaktionen hervorrufen: „War ja klar, er hätte gerne ein Topmodel vor der Kamera!“ oder das Model gerät in Stress. Auf der anderen Seite könnte es diesen Hinweis auch einfach als einen guten Tipp aufnehmen, der dem Model hilft, sich noch besser zu präsentieren.

Hier muss man sich vorher mit dem Gegenüber auseinandersetzen. Das beginnt schon bei der Aquise, geht dann über den Erstkontakt und wird im Laufe des Fotoshootings immer wieder justiert. Stimmt etwas in diesem Ablauf nicht, sollte man am Besten auf das Shooting verzichten.

Die Selbstoffenbarungsebene

Grundsätzlich gebe ich bei jeder Kommunikation auch etwas über mich selbst preis. Bei der Fotografie hört das allerdings nicht mit der direkten Kommunikation auf sondern wird auch später über das eigentliche Bild transportiert. Im Endeffekt hat jede Äußerung einen Teil, der auf die Gefühle, Werte, Ansichten sowie Bedürfnissen des Gegenüber ausgerichtet ist.

Dies kann durch direkte Ansprache geschehen oder auch nonverbal. Ein Beispiel: Der Fotograf beklagt gerade einen wie auch immer gearteten privaten Verlust. Durch die Anweisungen zum Posing oder selbst später bei der Bearbeitung der Fotos wird seine Trauer auf jeden Fall Niederschlag finden. Nun hat das Model davon allerdings nichts mitbekommen und ist in einer ganz anderen Stimmung. Wenn er trotzdem versucht, das Model fröhlich lustig durch eine Blumenwiese springen zu lassen, wird ihm das Foto trotz guter Arbeit des Models nicht gefallen („Das gefällt mir noch nicht!“).

Hier hilft nur das persönliche Gespräch neben der eigentlichen Arbeit. „Was ist los? Bedrückt dich etwas?“. Evtl. ist ein Shooting an einem solchen Tag nicht möglich.

Der Apell

Mit dem Apell will ich mein Ziel erreichen. Hier werden Wünsche geäussert, Hinweise gegeben und Ratschläge erteilt („Dreh‘ dich doch bitte mal nach rechts“). Dies ist wahrscheinlich die einfachste Form der Kommunikation, fusst aber immer auf den vorherigen Ebenen.

Fazit

Für Model und Fotografen beiderseits ist es wichtig, während eines Fotoshootings gut zu kommunizieren. Da wir Menschen sind, geschieht einiges bewusst und anderes unbewusst. Dennoch kommen die Botschaften auf diesen vier verschiedenen Ebenen vom Sender zum Empfänger. Es kann helfen, sich dessen bewußt zu sein, einiges davon wird man jedoch nicht immer beeinflussen können. Dazu kommt, dass jeder Mensch aufgrund seines Charakters die einzelnen Ebenen unterschiedlich gewichtet und dann auch noch entsprechend innerlich bewertet. Das sind die klassischen Mißverständnisse.

Für mich habe ich mitgenommen, ausführlicher zu artikulieren, genauere Anweisungen zu geben und mich vorher intensiver mit meinem Gegenüber zu beschäftigen. Und zum Schluss noch der Hinweis: Reden macht frei. Einfach Sachen ansprechen, schliesslich haben beide Seiten ein Interesse an guten Fotos.