Jemand hat einmal geschrieben: „Der Blick fürs Detail unterscheidet den Fotografen vom Knipser…“ Das stimmt wohl – aber eben nicht immer. Es gibt einfach zu viele verschiedene Formen des Fotografierens. Wenn ich etwas dokumentiere, dann fotografiere ich ein Motiv ganz anders als wenn ich eine Geschichte erzählen möchte. Und alleine dieser Unterschied zeigt schon, auf was es beim Fotografieren wirklich ankommt: Auf das Ziel.
Aber wie kann ich meine Ziele definieren? Kann man es überhaupt schaffen, ein Foto zielgerichtet zu fotografieren?
Ich muss gestehen, ich fotografiere Portraits meistens aus dem Bauch heraus. Während andere um mich herum Blende, Zeit und Stativ einstellen, fotografiere ich einfach drauf los. Natürlich weiß ich, welche Blende und Zeit ich einstelle, welche Brennweite ich nehme und achte auf das Licht. Aber das geschieht schon automatisch. Darüber mache ich mir nicht explizit Gedanken. Bei solchen Fotos habe ich aber dennoch ein Ziel: Ich möchte mein Model optimal darstellen. Niemals würde ich ein Bild veröffentlichen, von dem das Model sagt „Darauf gefalle ich mir aber gar nicht“ – auch wenn das Bild vielleicht in meinen Augen gut ist. Auch ein Ziel – aber auch diese Art der Fotografie trifft ja auch nicht immer auf mich zu und viele andere arbeiten ganz anders.
Wie kann man Ziele definieren?
Dabei helfen einige Fragen:
In welchem Zusammenhang steht das Motiv? Das soll heißen: Reiht es sich in eine Gruppe anderer Fotos ein, wie man früher z.B. eine Diashow gemacht hat? Soll das Bild ganz alleine für sich wirken, wie z.B. in einer Ausstellung?
Welche Aussage hat die Umgebung des Motivs? Fotografiere ich an einem besonderen Ort oder besticht das Motiv durch ein Alleinstellungsmerkmal?
Was möchte ich mit dem Foto aussagen? Suche ich evtl. das Besondere in einer bestimmten Umgebung? Dann brauche ich den Gegensatz. Möchte ich dokumentieren, wie sich etwas auswirkt, dann suche ich wahrscheinlich eine zeitliche Komponente.
Das Ziel auch bei der Bearbeitung konsequent verfolgen
Das sollen nur Beispiele sein, wie man sich einem Foto gedanklich nähern kann. Hat man das Foto dann erst einmal gemacht, dann muss man die Zielsetzung bei der Bearbeitung weiterhin konsequent beachten. Es kann also durchaus sein, dass man ein Foto im Kopf hat, welches man aber nur ansatzweise fotografisch umsetzen kann. Die gegebenen Fakten lassen einfach nicht zu, dass man schon das fertige Bild ablichten kann.

Ein Beispiel ist das hier im Artikel gezeigte Foto von Alina (https://www.instagram.com/alina_ldtk/). Dieses Foto zeigt die Überlegungen recht deutlich. Die Location hatte ich ausgesucht, weil es diese alten Fenster gab. Die Umgebung war also zielgerichtet. Es sollte ein schwarz weiß Foto werden. Ich habe also versucht, mir das Motiv in schwarz weiß vorzustellen (ich gebe zu: das bereitet mir immer etwas Schwierigkeiten). Und es sollte ein Bild im Streiflicht werden. Das Licht war vorhanden, das Fenster auch. Allerdings war der Raum hinter mir in gelb und weiß gestrichen. Es gab viele weitere Fenster, die ich auch nicht abhängen konnte und es war dementsprechend sehr hell. Die Messung lag auf dem Gesicht des Models, über die Blende habe ich soweit wie möglich abgedunkelt und der Ausschnitt passte. Der Focus lag auf ihrem Auge. In diesem Fall wusste ich, würde ich die Umgebungsdefizite über meine Software ausgleichen müssen. Ich habe das Foto trotzdem gemacht und herausgekommen ist eines, welches man normalerweise aussortiert hätte. Aber das war mir klar.
Bei der Bearbeitung habe ich dann ganz gezielt darauf hingearbeitet, wie ich das Foto haben wollte. Es wurde in schwarz weiß umgewandelt, die RGB-Anpassungen wurden gemacht, Helligkeiten wurden bearbeitet, alles Unwichtige wurde abgedunkelt. Das Gesicht etwas geglättet und zum Schluss wurde das Foto leicht geschärft.
Dieses Beispiel zeigt, wie man sich als Fotograf einem Motiv nähern kann und wie man das gesetzte Ziel konsequent verfolgt.